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Keine Links, aber eine Auswahl kurzer Statements im Zusammenhang mit Zwischennutzung oder welche im Zusammenhang mit innovativer Stadtentwicklung Argumentationshilfe oder Denkanstoss sein können.
1. Wir leben und gestalten in einem besetzten Land. 2. Wo kein Charakter ist, muss mindestens Kopfsteinpflästerung her. 3. Wir stehen einem zunehmend komplexeren und zunehmend elaborierteren Gemenge von gebauten oder geplanten Fakten, Einstellungen und Verhaltensmustern gegenüber. Diesem Gemenge fehlt jede offenkundige Dynamik. Es ist lediglich in Bewegung; das muss auf lange Sicht reichen. 4. Die Lernorte des eigenen heissen Bümpliz oder Spreitenbach. 5. Die Enge der Heimat treibt in die Fremde und erzwingt den Wandel; die Gefahr in der Fremde sowie die Angst vor dem Fremden wecken das Heimweh und die Sehnsucht nach Heimat und Tradition. Nur wenn diese Bewegung abgeblockt wird, tauchen Fremdenhass oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Eigenen auf. 6. Boden, der eine Identität vermittelt, ist Heimat. 7. Die Gleichsetzung von «Blut und Boden» mit Heimat verläuft mehr oder wenniger gleichzeitig mit dem Industrialisierungs- und Kapitalisierungsprozess, durch welche der Boden zum Spekulationsobjekt wurde, das seiner Qualität als Heimat verlustig ging. 8. Mit Identität ist eine psychische Struktur gemeint, die Orientierungshilfen anbietet, indem sie die Kategorien des Eigenen und Fremden in ein Verhältnis zueinander bringt. 9. Kultur ist das, was in der Auseinandersetzung mit dem Fremden entsteht, sie stellt sich dar im Produkt der Veränderung des Eigenen durch die Aufnahme des Fremden. 10. Kultur ist ein Prozess im Dienste des Eros, der verinzelte Individuen, später Familien, dann Stämme, Völker und Nationen zu einer grossen Einheit, der Menschheit zusammenfassen will. Warum das geschieht, wissen wir eben nicht, das ist eben das Werk des Eros. Die Menschenmengen wollen libidinös aneinander gebunden werden; die Notwendigkeit allein, die Vorteile der Arbeitsgemeinschaft werden sie nicht zusammenhalten. 11. Es wäre interessant, Freuds Kulturbegriff mit einer Psychologie der Architektur zu verknüpfen: wie kann die Architektur ihrer kulturellen Aufgabe, immer mehr Menschen libidinös miteinander zu verbinden, genügen? Diese Art von Architektur könnte man von einer solchen unterscheiden, die die Menschen nur aus ökonomischen Gründen zusammenpfercht, oder einer, die sie nur zusammenbringt, um der Herrschaft zu huldigen. 12. Vom Proletariat sprach man, als ob es sich um «Unzivilisierte», «Wilde» handelte, denen man «Kultur» beizubringen hätte, und eine ähnliche Metaphorik tauchte auf, als man anfangs der achtziger Jahre von den Jugendunruhen sprach. 13. Der Werkraum «Schlotterbeck» unterscheidet sich von ähnlichen Projekten neben der Vielfalt an Arbeitsberichen auch durch die Zielsetzung aller Beteiligten, keine Vereinzelung entstehen zu lassen. 14. Ein Jahr nach der Räumung der alten Stadtgärtnerei die nicht zuletzt auch KünstlerInnen und HandwerkerInnen als Arbeitsort diente erstellte das Erziehungsdepartement im Juli 1989 ein «Kulturraum-Inventar», das mit präzisen Zahlen belegt, was alle Betroffenen sowieso schon lange wussten: dass ein akuter Mangel an Kulturraum besteht. Im Erstellen dieses Inventars aber erschöpften sich die kulturpolitischen Kräfte der Kunststadt Basel, für mehr reichte es nicht. Wer vorher kein Atelier hatte, hatte Ende 1989 noch immer keines. 15. Schlotterbeck ist der Versuch, zwischendurch mehr aus Raum zu machen als ohne Anstrengung und Eingebung möglich wäre. Zwischennutzung als Chance. 16. Plötzlich waren sie einfach da. Sie charterten ein Riesen-Gebäude gleichsam als Raumschiff für den Flug ins Land der sozialen Utopie. Einst eine Autogarage, stehtSchlotterbeck seit 1990 für experimentelle Kultur und Arbeit. 17. Nach und nach kam die alte Garage ins Rollen, es kam zu Marktplatz artigen Szenen, zu Festen, eine Struktur begann sich zu bilden: monatlich ein Plenum, hohe soziale Aufmerksamkeit. 18. Ich erachte Zwischennutzung als eine bisher noch sehr unterbewertete Nutzungsform und als eine die durchaus Zukunft hat. 19. Heikel wird es, wenn staatliche Instanzen ihre auf Dauerzustände ausgerichteten Kontrollinstrumente und Verfahrensmechanismen auch auf Zwischennutzungen übertragen wollen. Die planende, ordnende und kontrollierende Stadtgesellschaft steht hier völlig neuen Herausforderungen gegenüber: der Forderung nach Verzicht auf die Kontrolle des Ganzen, auf durchgreifende Ordnung sowie der Forderung nach Bereitschaft, Recht in Abhängigkeit von der Dauer anzuwenden, für die es beansprucht wird, und also mit unterschiedlichen Ellen zu messen. Gefordert wird Rechtsungleichheit. Das ist ein harter Brocken, aber anders sind Zwischennutzungen nicht machbar. 20. Und da meine ich eben, dass Toleranz gegenüber solchen Projekten notwendig und möglich ist, denn sie geben einer Stadt auch einiges an Urbanität, an multikulturellem Gepräge, an Leben. 21. Neben grossen Auseinandersetzungen über das Definitive braucht die Stadt mehr denn je die Offenheit, das Unbestimmte, Provisorische, Andersartige, die Atempausen der Zwischennutzungen. 22. Temporäre Nutzungen können Licht- und Ausblicke auf eine künftlige Ablösung der Verdrängungs- und Ausgrenzungspolitik zugunsten einer neuen Kommunikations- und Vereinbarungskultur eröffnen. 23. Das Bedürfnis, zeitliche Lücken und brachliegende Gebäude oder Gelände in Städten zwischenzunutzen, hat mit der Stadt zu tun, lässt sich nicht aus der Stadt hinausschieben. 24. Die städtische Öffentlichkeit, die die Stadtplätze in früheren Zeiten belebte, hat sich hinter die Medien Zeitungen und Fernsehen zurückgezogen. Auf den Plätzen erfährt man nichts mehr. Es herrscht eine allgemeine Anonymität. 25. Wie könnten Plätze heute aussehen? Man muß diese Orte wieder als Ereignisflächen des öffentlichen Lebens ernst nehmen. Man darf sie nicht mehr als unnötige Verschwendung, als reine Fussgängerzonen und als getarnte Parkplätze behandeln, sondern muß sie gestalten wie Gebäude, als Gefäße des Lebens, des Handelns und der Kommunikation. Man muß den Augen und dem Geist der Passanten Material in den Weg legen. Dieses Material kann Hindernischarakter oder Schmuckcharakter haben, es kann sowohl das Spielerische betonen als auch ernste Würde ausstrahlen. Wichtig ist es. die Leere zu durchbrechen, die Flächen aus ihrer Unpersönlichkeit, ihrer indifferenten Anonymität herauszuholen. 26. Marktplätze, Ruheplätze, Spielplätze, Tourismusplätze, Ruinenplätze, Theaterplätze, Vergnügungsplätze, Jahrmarktsplätze, Treppenplätze, Filmstudioplätze, Zeitungsplätze, Übungsplätze, Gesprachsplätze, Gedankenplatze, Kunstplatze, Bibliotheksplätze, Palmenplätze, Lichtplätze, helle Plätze, dunkle Plätze. Steinplätze, Grünplatze, Laute Plätze, stille Plätze, Plätze als Sackgassen, Steinplatze, Asphaltplatze, Wiesenplatze, Wasserplätze, Eisplätze, Schwimmbadplätze, Museumsplätze, Denkmalsplätze, Turmplätze, Pappelplätze, Brunnenplätze ... 27. Wenn man heute neue Plätze anlegt oder alte Stadtplätze in ihrer Funktion überdenkt und sie einer neuen Lebensform zufuhren will, muss man sie als Ort der Inszenierung verstehen, als öffentliche Bühne mit Handlungsangeboten. Man könnte Platzintendanten berufen, die Programme entwickeln, Spielzeiten entwerfen, wie das in Theatern üblich ist. Neue Spielformen, die das tägliche Drama spiegeln. 28. Öffentlichkeit ist so etwas wie das Licht, in dem die Stadt in Erscheinung tritt - man wird erst aufmerksam auf sie, wenn sie eingeschränkt wird oder sich verändert. 29. Der Fremde der in die Stadt kam, sollte sogleich merken: Hier findet städtisches Leben statt. 30. Ohne dies Übersteigen in eine mögliche irdische Unsterblichkeit kann es im Ernst weder Politik noch eine gemeinsame Welt noch eine Öffentlichkeit geben. .. Die Welt haben wir nicht nur gemeinsam mit denen, die mit uns leben, sondern auch mit denen, die vor uns waren und denen, die nach uns kommen werden. Aber nur in dem Maße, in dem sie in der Öffentlichkeit erscheint, kann eine solche Welt das Kommen und Gehen der Generationen in ihr überdauern. Es liegt im Wesen des Öffentlichen, dass es aufnehmen und durch die Jahrhunderte bewahren und fort leuchten lassen kann, was immer die Sterblichen zu retten suchen vor dem natürlichen Verfall der Zeiten. 31. Wenn der öffentliche Raum vergänglich erscheint, bietet er den Menschen keinen Anlass, sich für die Zukunft der Stadt als Ort des Gemeinwesens einzusetzen. 32. Die Stadt muss Projekt bleiben, sie muss zugleich Entdeckungen ermöglichen und Sicherheit bieten, dann erst ist die ästhetische Wahrnehmungsfähigkeit hergestellt. 33. Die Gestaltpsychologie macht deutlich, dass wir Bilder brauchen, um die Objektwelt wahrzunehmen. Diese Bilder sind uns häufig nicht bewusst. ... Vorstellungsbilder sind also in der Regel Ablagerungen und Transformationen kollektiver Erfahrungen, Deutungen und Bewältigungsmuster. Sie strukturieren das ästhetische Urteil, indem sie Ausschnitte aus der Vielzahl möglicher Wahrnehmungen bilden und und Bekanntes von Unbekanntem scheiden. 34. In der Regel wird auch bei der Produktion des städtischen Raumes Vergängliches geschaffen. Häuser, Plätze und Strassen, die gestern als der letzte Schrei galten, werden heute als Müll empfunden, als Materie am falschen Ort. Es ist jedoch möglich, dass bestimmte avantgardistische Gruppen eine Umwertung vornehmen. Während diejenigen, die in entwerteter Bausubstanz wohnen müssen, mühselig versuchen durch kleine Eingriffe wie geänderte Hausverkleidungen, andere Türen und Fenster, de Müll zu verbergen und dabei in der Regel scheitern, versucht die Avantgarde, den Müll in den Vordergrund zu schieben, den alten Zustand wiederherzustellen; sie betont den Wert des Mülls. Unter bestimmten Bedingungen gelingt es ihr oder denen die nachfolgen, nicht nur den ursprünglichen Wert wiederherzustellen, sondern aus dem Abfall etwas dauerhaft Wertvolles werden zu lassen. Auch wenn wir nicht sicher sind, daß dieser Prozeß zur Produktion dauerhafter Kulturgüter führen muß vielleicht wird die In-Wert-setzung ja wieder rückgängig gemacht, so verweist dieser Gedanke doch auf eine permanente Dynamik des ästhetischen Prozesses. 35. In Bildern verdichten sich die Erscheinungsformen und Strukturen des Raumes. Ästhetische Urteile machen sich meist an Orten derrtiger symbolischer Verdichtung fest, während grosse Teile des Stadtraumes unter der Schwelle bleiben, die ein ästhetisches Urteil auslösen. ... Die Wahrnehmbarkeit und das ästhetische Urteil bedeuten eine wesentliche Orientierungsfunktion für Menschen und sind zur herausbildung alltäglicher Identität notwendig . 36. So ist die Industriebrache nicht nur Symbol für ein Problem, sondern auch Teil seiner Lösung. Das seit vier Jahren andauernde Überangebot an Wohnraum, Büros und vor allem an Industriebauten und -gelände hat weltweit, aber vor allem in den Hochpreisländern wie in Japan oder in der Schweiz, einen Preissturz ausgelöst. Dieser Preissturz wird und muss sich fortsetzen, denn ein globalisierter Produktemarkt verlangt nicht nur international wettbewerbsfähige Löhne, sondern ebensolche Bodenpreise. Wenn sich die Konzerne weltweit die billigsten Produktionsstandorte aussuchen, kann Industrieland nicht mehr 1000 oder 2000 Franken pro Quadratmeter kosten, sondern allenfalls 300 Franken, und vielleicht müssen wir es zuweilen auch gratis abgeben, um überhaupt noch Jobs zu bekommen. 37. In diesem Zusammenhang sind die Industriebrachen von grossem wirtschaftspädagogischen Nutzen. Sie belegen, dass der Boden nicht immer knapp ist und dass die Bodenpreise nicht ewig steigen müssen. Damit hindern sie das reichlich vorhandene Spekulationskapital auf absehbare Zeit daran, sich wie Ende der achtziger Jahre erneut auf die Immobilien zu stürzen. 38. Will man die Arbeit umverteilen, was notwendig wäre. so braucht es dazu auch billige Bau- und Bodenpreise. Wer wenig Miete bezahlt, kann sich mehr Musse leisten. Statt dass sich die Städte in Schlafquartiere der Überbeschäftigten und in Gettos der Arbeitslosen aufspalten, können so gesunde Biotope entstehen, in denen sich Kleingewerbe, Nachbarschaftswirtschaft, Freizeit und Arbeitsplätze in traditionellen Unternehmen mischen. 39. Für diese neue und zugleich alte Urbanität, für diese lokal verankerte Wirtschaft kann die Industriebrache zum willkommenen Exerzierfeld werden. Die heutigen Promotoren und Besitzer wollen das zwar nicht wahrhaben. Sie träumen noch von einer «hochwertigen» Nutzung, die es ihnen erlaubt, die überrissenen Immobilienwerte weiterhin in ihren Büchern stehenzulassen. Doch wer den künftigen Bedarf und die Kaufkraft von Mietern und Gewerbetreibenden realistisch einschätzt, erkennt, dass diese Träume Schäume sind. Der globale Markt kauft das bisschen Raum, den er noch braucht, dort, wo er am billigsten ist, und den High Noon kann man notfalls auch im Studio drehen. 40. «Ist da ein Industriegelände, das umgenutzt werden könnte?» fragten «Cash» und «Hochparterre» rund fünfhundert Bauverwalter, Stadtplaner und etwa dreihundert Immobilienverwalter. Das Ziel einer sechswöchigen Recherchentour durch die Schweiz war, abseits der bekannten Gross-Brachen wie beispielsweise Sulzer Winterthur, die kleinen und mittelgrossen aufzuspüren. 213 Brachgelände, mindestens eine Hektare gross, kamen zum Vorschein. Von Arealen, die erst frei werden, bis zu fast fertig umgenutzten, von konkursiten bis zu renditeträchtigen. 41. Wir sind satt und nett, wir sind informiert, wir spotten kaum mehr, wir beneiden uns nur noch gegenseitig um unsere Ehrfurcht, unsere Rechtschaffenheit und unseren Glauben. Beneidenswert sind unsere Baukünstler und ihr Glaube an die Baukunst, unsere Sportsfreunde und ihre Ehrfurcht vor dem Rekord und endlich die Künstler. vorallem sie: sie trachten nach Sinn. Natürlich pflegen wir alle unsere Rituale und hüten die Tradition, sind eingeschworen auf eine Aversion oder auf eine Bejahung der Vergangenheit. 42. Wo das Land nichts mehr wert ist 43. Und so beweisen die vielen Schilder und Tafeln, die offiziösen und die offiziellen, ihren hohen Wert. Ihre Instruktion nehmen wir gerne hin; es freut uns zu wissen, wie der Hase zu laufen hat; wir sind froh darüber, eines Besseren belehrt zu erden; für jede Anleitung sind wir dankbar. Wir werden gerne geleitet, instruiert und belehrt. Die Schilder und die Tafeln weisen uns den richtigen Weg. So betrachtet sind sie uns Lehrer und Chorleiter und Vorturner in einem. Und darüber hinaus sind sie unser buntes Glück am Wegrand. Sie wissen es besser, sie belehren mit zurückhaltendem Eifer. Ihr Eifer ist uns angezeigt. 44. Wir sind willensstark; kein Hindernis, das uns in den Weg gelegt wird, lässt uns verzagen. Stossen wir auf ein Hindernis, kommt blitzartig unser Wille ins Spiel. Wir überwinden es, räumen es aus dem Weg. Nur es zu umgehen oder über das Hindernis zu setzen, Fallt uns I schwer. Und das ist vermutlich der tiefere Grund jeder Stützmauer. 45. Perfekt heisst nicht vollkommen, sondern endgültig. Das gilt für Möbel, Bauten, Gegenstände. Wie sieht der berühmte Intarsienschrank von Haussmann & Haussmann in einem normal möblierten Zimmer aus? Schon die Vorstellung schmerzt. Was zudem, wenn auf diesem Solitär eine Blumenvase steht, eine Lampe 46. Warum liebt unsere Gesellschaft das Perfekte so? Warum dieser Hang zum absolut Fertigen? Perfekt heisst ja «fertig», darüber hinaus geht es nicht mehr, gibt es nichts mehr. Kein Spielraum bleibt mehr zur Verbesserung. Ein Eingriff bedeutet in jedem Fall, das Produkt imperfekt zu machen. Im Grund ist Perfektion und der Vorgang: Perfektionierung ein tödlicher Begriff. Jede Veränderung wird ausgeschlossen. Perfekt meint auch unberührbar. Jede Berührung verletzt, jede Berührung wird sichtbar: Fingerabdrücke, Fussabdrücke, Plakate kleben, etwas stehen lassen, etwas gegen den Strich benutzen; all das stört, zerstört. Die polierten Oberflächen aus Chromstahl und dergleichen bei Gebrauchsgegenständen schreien förmlich danach, nach Gebrauch wieder geputzt, gereinigt, poliert zu werden, um ihren ursprünglich perfekten Zustand wieder zu erlangen. Perfektion - in unserem Verständnis - altert nicht. Sie ist zeitlos, weil sie sich auch den Spuren der Zeit entzieht. Perfektes muss immer perfekt bleiben, leblos, denn es hat nie gelebt Es schliesst jeden Prozess mit sich selber aus, ist nie entstanden, sondern bereits in perfekter Form und Gestalt vom Himmel gefallen. Perfektes ist alterslos, ein Endprodukt von jenem Moment an, in dem es zur Nutzung freigegeben wird. Alles irgendwie Nicht-Perfekte verlegen wir unter den Boden oder verschweissen es in Gehäuse, die ihrerseits von wundersamer Glätte und Perfektheit sind. Als ob wir etwas zu verdecken hätten! Der Zugriff in die Innereien der Dinge wird uns verweigert, die Dinge sind zugemauert, zugeklebt, zugeschwcisst und präsentieren sich uns als funktionierendes Ganzes. Wie wir sie lieben, all die Stereoanlagen, Sanitärblöcke aus einem Guss, die versenkten Lichtquellen in Decken und Wänden, die makellos Himmel und Wolken spiegelnden Fassaden, die sich wie von Zauberhand öffnenden Türen, die im Nichts verschwinden, wenn wir sie durchschreiten. 47. Hinter diesem Text steht die These, dass gerade Zwischennutzungen und die darin manifesten Raummentalitäten für die Atmosphäre einer Stadt, für das urbane Klima, für die Vielfalt eines Stadtteils von grosser Bedeutung sind - oft sogar wichtiger als das, was schliesslich definitiv geschieht. Bereits jede öffentliche Debatte über definitive Verwendungen ist eine Form solcher Zwischennutzung, wenn nicht des Objekts, so doch der Planungszeit. 48. Im derzeit grassierenden Wust gefälschter Geschichte wirken die ohne Anspruch auf Dauer, verschwindbar, demontabel gestalteten Freiräume erfrischen(l. Der Verzicht auf den Zwang zur Dauerhaftigkeit schafft Luft, beseitigt Stickigkeit und Erdenschwere. In den Zwischennutzungen holt die Stadt gleichsam Atem. Und die Geschichtsbewahrung kommt vergleichsweise unverkrampft, sozusagen durch die Hintertüre, doch noch ins Spiel: Zwischennutzungen und ihre Gestaltung fordern das wohl beste Verhalten zur Sicherung von Altbausubstanz - Erhaltung durch Gebrauch. Dies für den Fall, dass die politischen Auseinandersetzungen über die definitive Nutzung doch zur Erhaltung des betreffenden Gebäudes führen sollten. 49. Heikel wird es jedoch, wenn staatliche Instanzen ihre auf Dauerzustände ausgerichteten Kontrollinstrumente und Verfahrensmechanismen auch auf Zwischennutzungen übertragen wollen. Die planende, ordnende und kontrollierende Stadtgesellschaft steht hier völlig neuen Herausforderungen gegenüber: der Forderung nach Verzicht auf die Kontrolle des Ganzen, auf durchgreifende Ordnung sowie der Forderung nach Bereitschaft, Recht in Abhängigkeit von der Dauer anzuwenden, für die es beansprucht wird, und also mit unterschiedlichen Ellen zu messen. Gefordert wird Rechtsungleichheit. Das ist ein harter Brocken, aber anders sind Zwischennutzungen nicht machbar. Es braucht «Deregulierung», nicht bei den grossen, langfristigen Vorhaben, sondern bei den kleinen, denen dazwischen - Recht auf Probe, auf Zeit, als Provisorium. Die neuen Bewegungen, Szenen, Theorien, Praktiken erfordern eine neuartige Beweglichkeit, neue Formen des Umgehens mit unterschiedlichen Mentalitäten und Verhaltensweisen. «Sich gemeinsam am Anders sein zu erfreuen, macht den Reiz grosser Städte aus.» 50. Temporäre Nutzungen könnten Licht- und Ausblicke auf eine künftige Ablösung der Verdrängungs- und Ausgrenzungspolitik zugunsten einer neuen Kommunikations- und Vereinbarungskultur eröffnen. zugleich sind sie Ausdruck von Resignation und Wut über die zunehmend erfolgloseren Auseinandersetzungen an der traditionellen Eigentumsfront. Oder haben wir es eher mit Mentalitätsbrücken und -krücken zu tun, die uns die Anpassung an eine veränderte, multikulturelle Stadtgesellschaft anhand von befristeten und damit vielleicht bekömmlicheren Portionen erlauben? 51. Und schliesslich fuhrt die Beschäftigung mit dem Vorläufigen, Ungesicherten zum Nachdenken über das Dauernde, Definitive. Wie definitiv ist denn dieses Definitive? «Die neue Stadtplanung wird eine Inszenierung der Ungewissheit sein», liest man in einem Interview mit dem Architekten Rem Koolhaas. 52. Unserer Meinung nach braucht Gestaltung keinen Raum. Vielmehr muss sie sich, unter gegebenen Bedingungen, auf das stützen, was schon im Raum vorhanden ist. . 54. Die Menschen gehen dorthin, wo schon Menschen sind.. Das gilt aus ganz simplen ökonomischen Gründen, da der Traum vom besseren Leben eben auch dazu führt, dass man dahin geht, wo die besten Chancen sind. 55. Dass das Landschaftserleben für die Erschliessung verwertbarer Welt nicht mehr funktional ist, schafft freilich die Sache noch nicht aus der Welt. Man sollte es andererseits aber auch nicht einfach als historisch erworbenes Grundbedürfnis behandeln. Das Landschaftserlebnis erweist sich heute als weitgehend medial oder hat umgeschlagen in Sport. Beides bezeichnet eine Ablösung der Freizeittätigkeit von der wirklichen Landschaft. Letztere gibt es nur als Ergebnis fussläufiger/körperlicher Bewegung: in eine Landschaft hineingehen, sie sich erschliessen, das setzt Körperzeit und nichtmediale Wahrnehmung voraus. Unser Landschaftserlebnis ist also weitgehend hohl. Die Mehrheit sucht Schneisen und mediale Posten auf, die die Landschaft als Benutzungsfläche in Anspruch nehmen, nicht mehr als Tiefe, als eigenen Erlebnisraum. 56. Das gewinnträchtigste Missverständnis liegt bereits bereit. Allenthalben, gerade an den verdächtigsten Stellen, regt sich ein merkwürdiger Flächenpositivismus. Unterschiedliche Fraktionen argumentieren plötzlich mit Flächenersparnis: die Verwaltungen, weil sie darin ein Argument für noch mehr Zentralisierung entdeckt haben; die Investoren, weil sich damit die Grundflächenziffer steigern lässt; die Architekten, weil sie damit endlich Hochhäuser bauen können; die Verkehrsplaner, weil sie Tunnel und Tiefgaragen erhalten Wer immer sich da rührt, die Bauten gehen in die Tiefe und die Hohe, der Flächenverbrauch ändert sich nicht, und so bleibt natürlich auch die Naturzerstörung nahezu gleich mit dem einen Abstrich, dass weniger Fläche versiegelt wird. 57. In dem Augenblick, wo gesellschaftlicher Raum und individuelle Platzansprüche ihre eigenen Wege gehen, fällt der Raum zusammen. Es bleibt nur das, was sich auf soliden Untersatz stützen kann, und der solideste ist nun einmal die individuelle Aneignung. Diese zerfällt aber dann ihrerseits in funktionale Anteile Wohnfläche, Parkplatz, Verkehrs flache, Arbeitsfläche oder Freizeitfläche einerseits, in soziale Atome andererseits, insofern Platz auch kein Platz in der Welt mehr ist, mit Umgangsfiguren wie Haus, Geschlecht, Familie, Klasse usw., sondern mein eigener Platz. Ich habe zwar keinen Platz in der Welt mehr - weil die inzwischen so unordentlich ist, dass ich diesen Platz gar nicht mehr einnehmen kann. Aber ich kann überall platznehmen, wo ich finanziell hinreiche, ich kann mir Platz kaufen. 58. Die Heftigkeit, mit der alle auf ihren unverletzlichen privaten Einflusszonen bestehen, ist vielleicht ein Vorzeichen der Hinfälligkeit. Während manisch Dinge in immer grösseren Wohnungen gespeichert wer den, findet unser Leben immer mehr woanders statt, in anderen Wohnungen, anderen Städten, in Transportmitteln. Die grosse Fläche ist eine reine Projektionseinheit, auf die das individuell erreichte Haben projiziert werden kann. Zum Brauchen haben wir viel zu wenig Zeit, und die meisten öden ihre vier Wände ohnehin nur an, auch wenn es 200 Quadratmeter sind. 59. Erinnerung ist eine Konstruktion wie das «Ich», das ihr Ereignisse zubildet. «Ich» versteht unter Erinnerung den Bruch mit der verwalteten und disziplinierten Zeit. Deshalb halte ich Gestaltung immer dann für eine Katastrophe, wenn sie Qualitäten des Lebens zu Objekten verstofflicht. Dann nämlich tritt die gestaltete Umwelt an die Stelle der gelebten Zeit. Und darum betreibt jede Behandlung der Umwelt als Ausdruck der in Bildern verfügbaren Erinnerung und jede Inszenierung des Historischen als des sogenannt Gegenwärtigen deren Zerstörung. 60. Zerrissene Kleider liegen herum wie zerstückelte Körper. Was aber bedeutet Verzweiflung anderes denn als Innehalten in der Anordnung des Erinnerns. Wenn wir stetig in die Erinnerung gezwungen sind und die illusionäre Gegenbehauptung eines Unmittelbaren in der Unerbittlichkeit der Zeit zerfallt, wenn jedes Nach-Erleben des Versprechens eines «Jetzt» Echtheit bloss wiederholt unter ewig gleichem Mondschein an gleichen Orten, überall - wenn solches zu leben ganz und gar unsinnig ist, dann gibt es keinen Grund mehr, dem Leben und seinen Erinnerungen nachzutrauern. 61. Es sind Versuche, Werkzeuge zu entwickeln, mit denen sich unsere Realität interpretieren lässt, und zwar nicht von oben durch die Analyse abstrakter Pläne und Zeichnungen, sondern von innen, aus unserer Gesellschaft heraus, durch kritische Entzifferung der in den sozialen, ökonomischen, kulturellen und informationellen Beziehungen ablaufenden Veränderungen und ihres Einflusses auf die städtische Kultur. 62. Wir sind der Ansicht, dass die Beobachtung einer jüngeren Generation und ihrer Sub-Kultur ein kraftvolles Instrument darstellt, mit dem sich die verändernden Verhaltensmuster der nächsten Generation und ihre Raumpraxis im Sinne Michel de Certaus erfassen lassen. 63. Nicht nur der jüngere Städter von heute verwandelt sich in ein spezialisiertes Individuum, das aufgrund bestimmter Interessen und Wünsche einen persönlichen städtischen Raum mit bestimmten Mobilitätschancen schafft. Die Definition des Status verwandelt sich aus etwas Statischem, das an die soziale Klasse gebunden ist, in eine dynamische Definition, die eine permanente Selbstveränderung erlaubt und die Möglichkeit bietet, sich verschiedenen Lebensstilen anzupassen 64. Neue Stadterweiterungen werden von den traditionellen Wohnbau- und Sozialakteuren oder den prestigeversprechenden Investoren und Architekten projektiert und mit Hilfe der bekannten, Sicherheit suggerierenden Methoden - hierzu zählt vor allem der sogenannte städtebauliche Ideenwettbewerb - realisiert. Damit wird nicht nur die Möglichkeit des Irrtums ignoriert, sondern werden auch von vornherein ungewünschte neue Entwürfe verhindert. 65. Denn gewiss fehlen nicht die üblichen Wohnungen, ja vielleicht bedarf es gar nicht Wohnungen allein, sondern es besteht Mangel an «Raum» für die sich differenzierenden und diversifizierenden Bedürfnisse und Nachfragen. Dann allerdings stellte sich besonders der sozialpolitische, wirtschaftliche und ökologische Begrundungszusammenhang für neue Grosssiedlungen anders. 66. Die folgende Idee hat ein Pfarrer in Berlin verwirklicht: Statt einer perfekten Grünplanung wird bloss eine Struktur für einen kleinen Park entworfen. Innerhalb dieser kann jeder neuzuziehende Einwohner «seinen» Baum pflanzen und der Park entsteht gewissermassen von selbst. Die Bäume widerspiegeln einige Strukturen des neuen Wohngebiets, die Anzahl der Bewohner, den Zeitpunkt ihres Zuzugs. Das Pflanzen des Baums kann mit einem privaten Fest verbunden werden, zum Beispiel anlässlich der Taufe eines neuen Bewohners. Der Symbolgehalt dieser Aktion im Sinne der Identifikationsstiftung ist evident. 67. Bei den anstehenden Planungen besteht die Chance, dass die neuen Stadtteile von vornherein ein eigenes unverwechselbares Gesicht erhalten und ein Image ausbilden, das wesentlich durch die dort realisierten städtebaulichen Innovationen mitgeprägt wird. Damit könnten sie auch eine ideelle, symbolische Bedeutung für die Gesamtstadt erzeugen und auf diese zurückwirken. 68. Das planmässige Zulassen von provisorischen Zwischennutzungen auf offenen Flächen und in auf begrenzte Zeit angelegten Bauwerken und Flächen, im weiteren Sinne also die Förderung der «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen», um damit die normale Entwicklungsdynamik eines Stadtteils in Gang zu setzen und zu unterstützen. 69. Die ursprünglichen planerischen Ansätze zur Integration von Arbeitsstätten lassen sich bisher selten realisieren. Dies ist z.T. auch auf die anfangs rein wohnungsorientierte Nachfrage am Stadtrand zurückzuführen, während es eine Frage der Zeit ist, wann sich Arbeitsstätten anlagern. In einigen Fällen ist es gelungen, grosse Arbeitgeber zum Motor der Entwicklungsmassnahmen zu machen, wie z.B. in München-Riem mit der Verlagerung der Messe: Häufig muss man jedoch darauf vertrauen, dass mit der Zeit die Qualität des neuen Standortes, zusammen mit dem herangewachsenen Arbeitsmarkt, gewerbliche Investoren und Unternehmer unterschiedlicher Art anlocken wird. Wenn es eine Frage der Zeit ist, wann sich Arbeitsstätten ansiedeln, sollten in jedem Fall Flächen, Anbau- und Umnutzungsmöglichkeiten vorgehalten werden. Dies ist insbesondere auch notwendig für diejenigen Gruppen der Bewohner, die auf eigene Initiative wohnungsnahe Beschäftigungsmöglichkeiten aufbauen wollen Hierzu sollten auch Wohnungen geeignet sein, aber auch die Möglichkeit bestehen, eigene einfache Werkstätten etc. zu errichten. 71. Der Flaneur war der letzte Städtedeuter. Über Strassen und Plätze, in die vergessenen Winkel streifte dieser Voyeur und zog ein unsichtbares Netz aus Blicken. Flanieren als Lesen von Bedeutungen, die sich zusammenfügen. Am Bordstein, auf dem Gehweg, bei der Promenade machte er dieses An gebot: in der Stadt sesshaft zu werden durch die Lust der Augen. Er war der Kundschafter des Beweises, dass die Stadt einen geschichtlichen Sinn, eine verständliche Ordnung, ein entzifferbares System enthält. Selbstverständlich war er Melancholiker und raunte vom Ende. Der Schatten der Trauer, den er warf, hatte jedoch einen Anteil an der Farbigkeit der Welt: Wer die Dinge in ihrer scheinbar letzten Schönheit hervorhebt, verlängert ihre Lebenslinien. 72. Der Flaneur, der an der Peripherie wie der aufersteht, hätte einen Aufstand hinter sich: die Revolte gegen seine eigene Verfassung. Mag der Blues der Einsamkeit der Komplize seiner Erfahrung sein. Sollen doch die Wirrungen inmitten der Favelas, Slums und Barrios pobres ins Uferlose wachsen. Er könnte unserer Erfahrung mit dem Fremden auf helfen. In den Surrealismus einüben. Die Zwischen räume zwischen uns und den anderen durch Beschreibung ausfüllen. Rimbauds Behauptung, dass ich ein anderer sei, zur Existenz verhelfen. Wenigstens die Bereitschaft des Auges für die Bruchstücke stärken Das könnte auf eine ethische Vorschule der Anteilnahme hinauslaufen. 73. Die zeitliche Begrenzung für dieses Experimentierfeld hielten wir nicht für einen Nachteil. Drei Jahre sind ein überschaubarer Lebensabschnitt, der den Planungen gerade auch jüngerer NutzerInnen entspricht. Etablierung war für uns gleichbedeutend mit Langweiligkeit, und die scheuten wir wie der Teufel das Weihwasser. Den zur Verfügung stehenden Zeitraum hofften wir prozesshaft nutzen zu können, wobei von Anfang an eine Zielorientierung auf ein Nachfolgeprojekt hin bestand. 74. In einem viel weiteren gesellschaftlichen Feld mussten wir uns aber bald als Stifterlnnen für Begegnungen identifizieren können. wenn wir einerseits :die Ausstrahlung der Werkraum-Idee tatkräftig umsetzen wollten und anderseits der neuen Rolle als Partner in einem verästelten Beziehungsgeflecht gerecht werden sollten. Mit «Gesprächskultur» meinten wir also auch, selbstverschuldete gesellschaftliche Isolation zugunsten unserer Anliegen zu überwinden und statt Ausgrenzung eher Integration der sozialen Segmente innerhalb des Gemeinwesens zu betreiben. 75. es geht darum, dass man strukturen, wenn es gesetze oder regeln sind, so anlegt, dass sie mit den veränderungen mitwachsen. es muss gewährleistet sein, dass jede situation gemeistert werden kann, auf die eine oder andere art. es darf nicht sein, dass strukturen so gestaltet sind, dass sie früher oder später an den eigenen grenzen bersten. einer pflanze, die wächst, gibt man mit der zeit einen grösseren topf. und so ist es auch mit dem sozialen körper. 76. der werkraum scheint mir schon so etwas wie eine insel zu sein. vielschichtig wie blätterteig. was ich als schwächung der idee empfinde? ist, wenn man die idee etikettiert, wenn man sagt: der werkraum ist so und so, punkt. in der idee ist etwas fliessendes, das man nicht als stehende figur in den raum basel stellen kann und soll. wer das nicht kennt, kann sich vor dem fliessenden mit einer etikettierung schützen. die friert dann aber die idee gewissermassen ein. es gibt andere welten, die verständnislos auf uns blicken, aber die gibt es ohnehin. wer es wagt, irgendein risiko einzugehen, wird eben nicht so recht ernst genommen. man denkt, gehen wir denen ein bisschen spielwiese, dann halten sie sich still. es wird dabei gar nicht beachtet, dass kultur und kunst für alle leute sehr notwendig sind. wir drücken ahnungen von anderen, nicht nur materielle wahrheiten aus. 77. der werkraum ist eine gewerbezone im besten sinn. d.h., es wird nicht nur versucht in bezug auf bühne, kino oder konzertsaal, et was als veranstaltung umzusetzen, sondern er ist erlebnis- und arbeitswelt. hier ist sie jetzt sehr provisorisch angelegt, aber ich glaube, dass dieser werkraum, auch nachdem sich hier alles aufgelöst haben wird, nicht mehr wegzudenken sein wird. der werkraum ist eine gewerbezone im klassischen sinn, weil hier das herstellen und bereitstellen von produkten und ideen eine grosse rolle spielt. 78. kultur ist heute einfach ausser rang und traktandum gefallen. vor noch zwanzig jahren war klar, dass man über kultur spricht; das thema war ein teil des politischen kalenders. unterdessen sind so viele andere themen dazugekommen, dass die bürgerlichen parteien die kulturpolitik völlig vergessen haben. kultur als teil der politik ist abhanden gekommen, und die linke hatte kulturpolitik schon gar nie als thema. das thema ist einfach vom tisch. und wenn dennoch ab und zu mal ein paar vorlagen zum thema kommen, werden sich halt nach finanzpolitischen kriterien beurteilt: haben wir geld? haben wir kein geld? wollen wir geld, oder wollen wir kein geld ausgeben, obwohl wir kein geld haben? oder wollen wir kein geld ausgeben, obwohl wir geld haben? aber ob kultur etwas wichtiges ist, und was kultur ist, wird heute nicht mehr diskutiert, auch nicht von den leuten, die kultur betreiben. 79. Die Alte Stadtgärtnerei war ein autonomer Raum, wo jeder die Möglichkeit hatte, sich einzubringen, im Moment, unmittelbar. Ich behaupte nicht, dass das immer funktioniert hat, aber es war rein räumlich viel offener als hier oben. Schon die Hemmschwelle, ins Schlotterbeck-Gebäude hereinzukommen, jemanden anzusprechen, seine Schüchternheit zu überwinden oder sich überhaupt als Teil des Werkraums zu fühlen, ist viel grösser als in der Alten Stadtgärtnerei, wo man einfach auf dieses Gelände laufen konnte ... Ich glaube, dass man auf der Forderung bestehen muss, dass auch weitere Kreise diesen Raum beanspruchen können, und zwar die verschiedensten Leute. Das finde ich sehr wichtig. Im Schlotterbeck gibt es vor allem Leute, die künstlerisch und gestalterisch arbeiten. In der Stadtgärtnerei betätigten sich aber auch Leute, die aus ganz anderen Ecken kamen, z.B. Krankenschwestern, Ärzte oder andere, die sich etwa mit dem Musikprogramm oder mit Gartenarbeiten beschäftigt haben. Das war anders. Natürlich war eine Trennung von Arbeit und Freizeit teilweise noch vorhanden. Aber ich sehe die Alte Stadtgärtnerei sowieso als entwickelbare Übergangsphase in eine andere Lebensform. 80. Der Werkraum ist ein Beispiel, wie Paradoxien und Widersprüche im System aufgegriffen und genutzt werden können. Durch ein agiles Vorgehen können ein Planungsnotstand, die Rezession oder Ähnliches produktiv aufgegriffen und nutzbar gemacht werden. Die selbstmörderische wirtschaftliche Dynamik birgt auch ganz eigene Möglichkeiten. Im Werkraum fand mancher Dornröschenschlaf ein Ende. Selbstbewusste Produktion hat um sich gegriffen; vom Kochen übers Schreinern zum Planen und Singen. Hilfe von vielen Seiten konnte in Anspruch genommen werden. Mit der Bank als Vermieterin wurde gar eine feste - vertragliche Bindung eingegangen. Gegenseitiges Geltenlassen, nie ohne skeptisch wohlwollendes, auch zuweilen schulmeisterliches In-Frage-stellen haben viele Veranstalter und Besucherlnnen erfahren. Das «anders Leben»~ haben wir eingeübt und zelebriert. Es entstand ein eigenes Milieu, in dem die Erlebnisweisen einander angeglichen und stabilisiert wurden. Darin war erwünschter Halt zu finden. Gegengesellschaftliche Merkmale haben sich in dieser Grossgruppe bilden können, ohne strikte Ausgrenzung von durchaus andersartigen sozialen Segmenten. Soziales Plastizieren mit dem gesamten städtischen Gesellschaftorganismus konnte stattfinden. 81. Es zeichnet sich heute a~, dass - so paradox es erscheinen mag - im Spätkapitalismus ein ökonomisches Prinzip, das bis zur Französischen Revolution Bestand hatte. auf leisen Sohlen wieder eingeführt wird: die «Tote Hand» im Grundbesitz. Damals waren kirchliche Besitzungen und andere Güter als unveräusserlich der sogenannten Toten Hand zugeschlagen. Nach der Revolution wurde alles dem frühbürgerlichen Begehren nach Beweglichkeit der Anlagewerte anheimgegeben. Jetzt sieht man, dass auf merk würdigen Umwegen erneut eine Kultur der Toten Hand bei Grundbesitzern entsteht, diesmal allerdings nicht mehr im Zusammenhang mit kirchlichen, sondern mit (anderen) gesellschaftlichen Aufgaben. Die permanente Aktivierung des gesamten Stadtbodens hatte die ganzen Anlagewerte hochgetrieben und zunehmend grosse Teile der gesellschaftlichen Nutzung entzogen. Mit der langfristigen Zurverfügungstellung von Arealteilen für die gesellschaftliche Innovation ist ein interessanter Ausweg aus dieser Spirale eröffnet worden. 82. Der «Panel» schliesst mit der Betrachtung eines Satzes, der auf der Wandtafel enthüllt wird: «Die Kräfte der Kultur beleben sich mit jeder Befragung: Geht es auch ganz anders?» 83. Der Experimentierraum für Alternativkulturen und für Architektur ist eng geworden. Vision: Reglementfreie Räume sind «weisse Flächen» in den Richt- und Nutzungsplänen. In diesen Räumen sind mit wenigen Ausnahmen die Gesetzesnormen ausser Kraft gesetzt. Vom Raumplanungsgesetz beispielsweise gelten lediglich noch die Bestimmungen über die Grundsätze und die Ziele, die Koordinationspflicht (Abstimmung mit dem die «weisse Fläche» umgebenden Raum und innere Interessenabwägung) sowie das Mitwirkungsgebot. Bauliche Vorhaben werden somit nicht mehr daran gemessen, ob sie all den Gesetzesartikeln, Normen und Richtlinien gerecht werden und ob sie den übergeordneten Plänen nicht widersprechen. Dagegen ist in umfassender Weise darzulegen, inwiefern die Grundsätze und Ziele eingehalten werden sowie die Interessenabwägung erfolgt ist. Die Entscheidung über die Realisierung eines Projektes erfolgt im Rahmen eines Mitwirkungsprozesses, an dem sich alle Betroffenen beteiligen können. 84. Die Politik, die wir kennen, funktioniert dank Ort- und Erfahrungsferne. Wer sich fürs Gegenständliche interessiert, die konkreten Finanzoperationen, sozialen Veränderungen, chemischen Gifte, Technologien, Waffensysteme usw., kommt aus dem Staunen nie heraus, wie sein Interesse sich verwandelt, sobald er es an den parlamentarischen oder verwaltungspolitischen Mann gebracht hat. Wozu hat er dir zugehört? Doch wohl nur, um jene lockeren Enden deines Problems aufzuschnappen, die für einen Effekt gut sind, einen in seinem Spiel, nicht in deinem. Diese Effekte in deinem Problem auffinden und sachkundig in die parlamentarische oder administrative Auseinandersetzung einbringen zu können, ist das, was das Professionelle an der Politik ausmacht. 85. Wohin also trägt die Ortserfahrung? Die Stadtteilpolitik beginnt damit, dass sich Leute mit ihrem Stadtbereich identifzieren, ihn als Lebensraum begreifen und verteidigen Das setzt am einzelnen Haus an, verallgemeinert sich über die Zugriffsweise der Verwaltung, die das Stadtviertel in Planungszonen teilt und blockweise niederlegt, spitzt sich an abrißgefährdeten Gebäuden zu, die als Stadtteilzentrum dienen könnten und einem zentralistischen Sozialbauwerk im Wege stehen. Da macht die Erfahrung halt: dieser Bereich des Interesses - «Kiez» - ist der Stadtort. Die Stadt ist für diese Erfahrung nichts als die wechselseitige Beziehbarkeit solcher Stadtorte. Aber das hängt vom Standpunkt ab. 86. Letztendlich läuft also die Ortserfahrung auf einen ganz einfachen Kern hinaus: auf der Ebene dieses Ortes die Frage zu stellen - und mit der Beantwortung zu beginnen -, wovon in Zukunft dieser Ort leben soll. Von außen wird diese Frage keiner so stellen, da genügt es, daß immer noch verwertbare Bausubstanz oder verschiebbares Menschenmaterial da ist, oder einfach nur Platz, um die Bevölkerung dort abzuladen, die man in anderen Teilen der Stadt nicht mehr will. Was unter den gegebenen trüben Verhältnissen erreichbar ist - das ist ein weites Feld. Aber wenn etwas erreichbar ist, dann ist es die wichtigste Ressource, die Veränderungen aus den Fähigkeiten des Menschen am Ort zu entwickeln, Kräfte zu entbinden, die sonst in Sozialversorgung unerkannt versacken, mit Verschüttetem und Beiseitegedrängtem zu arbeiten. Das Beiseitegedrängte als Möglichkeit zu sehen, das am Ende macht die gewisse Kraft lokalisierter Politik immer wieder aus. 87. Gegenüber diesen Kulturräumen grenzen sich die neuen, soziokulturell definierten Werkräume der 90er Jahre ab. Sie werden von den dort arbeitenden Kulturschaffenden als Kreativräume für Innovationen und gesellschaftliche Experimente verstanden. Die grösstmögliche Vielfalt von Aktivitäten und ein öffentlicher Charakter des Ortes wird angestrebt. Austausch soll im Rahmen einer Werk-Atmosphäre stattfinden, in einem Umfeld, wo gearbeitet und geforscht wird. Dem ersten Basler Werkraum, einer Zwischennutzung der ehemaligen Garage Schlotterbeck von 1991-94, sind vier neue, nun bestehende Werkräume gefolgt: der Werkraum Bell als Zwischennutzung einer ehemaligen Wurstfabrik, der Werkraum Warteck, als auf unbefristete Zeit angelegte Nutzung eines ehemaligen Brauereigebäudes, und zwei weitere Werkräume in der Nähe des Basler Hauptbahnhofes. 88. Um der Kommunikations- und Gestaltungsfähigkeit der Gesellschaft für die nächsten Jahre einen guten Nährboden zu bieten, müssen neue Formen des Dialogs erarbeitet werden. Das «Labor für Kommunikation und Gestaltung» soll ein Ort sein, an dem Forschung und Innovation für die Zukunft betrieben werden kann. Wichtige Fragen sind gestellt: Was heisst Kommunikation und Gestaltung in der Musik, in der Kunst, im Design, in der Literatur, im Tanz? Wie vermitteln wir unsere Bedürfnisse und Wahrnehmungen? Welche Werte sind uns wichtig? Wo müssen wir umdenken? Wie gestalten wir unsere Kommunikation zwischen den Disziplinen? Wie kann eine befruchtende Kommunikation zwischen Institutionen der praktischen Kulturarbeit und der Kulturforschung der Universität entstehen? In bezug auf Ort und die Bereitstellung von Infrastruktur, kommt hier den «kulturellen Werkräumen» besondere Bedeutung zu. 90. Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen. 91. Stadt ist keine Idylle - zu ihr gehören Auseinandersetzungen, weitgehend selbstregulierend, um unabhängig von öffentlicher Unterstützung existieren zu können, - gestaltbar, damit Zugehörigkeit zum Quartier entstehen kann, und - veränderbar, damit sie sich wandelnden Anforderungen anpassen können? 92. Im Gegensatz zu vielen anderen hat sich die Stadt Tübingen von Beginn an für den Umbau statt fast vollständigem Abbruch und Neubau entschieden. Es geht dabei um verantwortlichen Umgang mit städtischer Substanz, aber nicht um den nostalgischen Erhalt "gewachsener Strukturen". Die vorhandenen Gebäude konnten, soweit nicht ganz und gar unbrauchbar, fast sofort für kommunale Infrastruktur, Wohnprojekte, Ateliers und Werkstätten genutzt werden. 93. Mit der Umnutzung wurde sofort nach der Freigabe - im Sommer 1991 - begonnen, insbesondere dort, wo ein akuter Bedarf zu befriedigen war, wo bürgerschaftliches Engagement wartete, wo Einrichtungen mit Kristallisationsfunktion für den Stadtteil und für die Gesamtstadt entstehen konnten - ein riskanter Weg angesichts der nicht abgeschlossenen Grunderwerbsverhandlungen: Daß die Stadt in Gebäude investierte, die ihr noch nicht einmal gehörten, war für viele unglaublich. Innerhalb von 2 Jahren waren bereits über 20 Einrichtungen und Projekte geschaffen oder im Entstehen; heute sind es über 30. Verschiedene kulturelle Aktivitäten sorgten von Beginn an für einen lebendigen Stadtteil, für dessen Umbruchsituation und Chancen sich viele begeistern konnten: 94. Innerhalb weniger Jahre ist auf dem früheren Militärgelände ein Stadtteil im Entstehen, der schon jetzt aktiver, lebendiger, selbstbewußter ist als die übrigen Tübinger Stadtteile. Erst im letzten Sommer haben zwei Tage der offenen Südstadttüren deutlich gemacht, wie viele Aktivitäten hier bereits im Gang sind. Besonders aktive und ideenreiche Menschen sind bereit, sich hier als Pioniere zu engagieren. 95. Bei dem Versuch, die spezifischen Entwicklungschancen einzelner Stadtteile zu beschreiben, wurde im Rahmen der Arbeitsgruppe eine Befragung durchgeführt. Dabei wurden Assoziationen zum jeweiligen Stadtteil, seinen besonderen Problemen und seinen Entwicklungschancen erfasst. Obwohl die umfangreichen Fragebögen nur von einem Teil der Mitglieder der Arbeitsgruppe bearbeitet wurden, ergab sich bereits ein sehr differenziertes Bild typischer Stichworte für die verschiedenen Stadtteile. Es drängte sich der Eindruck auf, dass dies eine bereits recht gut zutreffende Ausgangsbasis für Konzepte zum Stadtteilmarketing bietet. Es wurde empfohlen, für viele Stadtteile (nicht nur wie derzeit für Grünau) an solchen Marketing-Konzepten zu arbeiten, um über das Herausarbeiten der differenzierten Qualitäten der verschiedenen Stadtteile auch eine Stärkung des Gesamtstandortes Leipzig zu erreichen. 98. Durch Selbstorganisation können in einem System neue räumliche und/oder zeitliche Strukturen entstehen, die nicht auf ein einfaches Ursache-Wirkungs-Schema rückführbar sind. Die Krähe der Selbstorganisation können insbesondere in instabilen Zeiten von Phasenübergängen, in denen das System fern vom Gleichgewicht nach neuen Möglichkeiten der Weiterentwicklung, nach einer neuen (wandelbaren) Ordnung sucht, zur treibenden Kraft der Entwicklung werden: 99. Alle diese Konzepte haben mittlerweile in unterschiedlichem Masse Eingang in andere gesellschaftlich relevante Bereiche gefunden. Ihnen allen ist gemein, dass sie Selbstorganisation als eine gebündelte Kraft begreifen, welche als geändertes - kollektives - Verhalten eine neue Ordnung, neue Strukturen bilden kann, ohne dass es dazu einer direkten Fremdeinwirkung bedarf. Die Selbstorganisation entfaltet ihre treibende Kraft insbesondere in offenen Systemen mit hohen individuellen Freiheitsgraden, in denen viele potentielle Ordnungsparameter als neue Variablen für den Wandel auftreten können . 100. Selbstorganisation in der Raumplanung Im gesellschaftlichen Zusammenhang können wir unter den Begriff der Selbstorganisation die marktwirtschaftlichen Krähe subsumieren oder auch Entwicklungen, die zum Beispiel in Form von Moden an der Basis der Bevölkerung entstehen. Die Bedeutung der Selbstorganisation und vor allem auch deren mögliche Bandbreite wird in der Planung eher unterschätzt oder zumindest nicht ausreichend berücksichtigt. Es ginge darum, die vielfältigen Bewegungen in der Bevölkerung aufzugreifen und sie in umfassende Konzeptionen und Planungsverfahren zu integrieren. 101. Chaos bedeutet hier das zusammenhanglose, unkoordinierte, nicht nachvollziehbare Nebeneinander von Teilen und Teilsystemen. Es entsteht auf der lokalen Ebene durch eine Vielzahl nicht oder nur unzureichend koordinierter Eingriffe und Bewegungen neben und übereinander. Diese Dimension des Chaos ist heute in weiten Teilen der Siedlungslandschaft anzutreffen. 102. Öffentlichkeit wird in der emphatischen Konzeption verstanden als gewisser massen vor- oder gar antiinstitutionelles Element. Der Begriff hat gewisse "oppositionelle" Konnotationen; der Sinn einer ideellen (oder intelektuellen) "Gegenmacht schwingt" mit. Auch die Rede von der "kritischen" Funktion der Öffentlichkeit oder das Bild von der Richterrolle suggerieren eine Aussenposition, von der aus über vorgegebene Initiativen und Entscheidungen des politischen Zentrums zu urteilen wäre. ... 103. Vertrauen wird (damit) zu einem limitierenden, unersetzlichen Faktor, dessen Fehlen die öffentliche Sphäre schrumpfen lässt. 104. Viele öffentliche Symbolhandlungen, die ihrem Sinn nach irgendwie in Zusammenhang mit politischen oder öffentlichen Angelegenheiten stehen, verwenden "präsentative" Symbole oder ästhetische Ausdrucksmittel, die nicht Argumente oder Informationen, sondern andere symbolische Gehalte vermitteln. Zu diesen Formen gehören Rituale und Zeremonien, Demonstrationen, Feste, Slogans, Plakate und andere visuelle Ausdrucksformen Musik, Film, überhaupt wichtige Teile der Kunst und Populärkultur. Zweifellos prägen solche Ausdrucksformen in bedeutendem Mass Erfahrungsweisen und Motive. Die historische Efahrung zeigt, dass solche Formen öffentlicher Symbolisierung eingesetzt werden können, um öffentliche Diskurse einzuschnüren oder unwirksam zu machen (Kriegspropoganda ist das klassische Beispiel). Andererseits kann (wie die Erfahrungen der 60er Jahre zeigen) eine Vitalisierung der "präsentativen" Kultur auch mit einer Ausdehnung der diskursiven Sphäre der Öffentlichkeit einhergehen. 105. Aber Achtung. Es geht nicht mehr um die Jugend. Es geht um einen ganzen Teil der Stadtbevölkerung, der nicht mehr damit zufrieden ist, reibungslos in den gegebenen Strukturen zu funktionieren. Zu tun, was der Anstand gebietet. Den Ärger hinunterzuschlucken, das Chaos im Kopf zu verdrängen. Daraus entstehen vielfältige Aktivitäten. 106. §2: Der Zweck des Vereins besteht darin, als Schnittstelle zu fungieren im Zusammenhang von Raumnachfrage und Raumangebot. Dieser Zweck wird auf rein gemeinnütziger Basis verfolgt, ein Gewinn soll nicht erzielt werden. 109. Sollte es einen neuen Urbanismus geben, dann wird sich dieser nicht auf die Zwillingsphantasien von Ordnung und Omnipotenz stützen; er wird Unsicherheit stiften; er wird sich nicht länger mit der Planung mehr oder weniger dauerhafter Objekte befassen, sondern bestimmte Areale mit all dem düngen, was möglich sein könnte; er wird nicht mehr auf feste Strukturen zielen, sondern auf die Bereitstellung von Möglichkeitsfeldern für Prozesse, die sich dagegen sträuben, eine endgültige Form anzunehmen. 110. Um zu überleben, wird sich der Urbanismus eine neue Art des Neuen ausdenken müssen. Seiner atavistischen Pflichten ledig, wird der neu definierte Urbanismus als eine Methode der Beeinflussung des Unausweichlichen die Architektur unter Beschuß nehmen und ihre Schützen graben erstürmen. Er wird sie aus ihren Bastionen vertreiben und ihre Überzeugungen unterminieren. Er wird ihre Grenzen sprengen und ihre Vorliebe für Materielles und Gegenständliches der Lächerlichkeit preis geben. Er wird ihre Traditionen zerstören und ihre praktizierenden Anhänger ausräuchern. 111. Das offenkundige Scheitern des Urbanen bietet uns eine außerordentliche Chance, einen Vorwand für Nietzscheschen Leichtsinn. Wir müssen IOOI Alternativvorstellungen einer Stadt entwickeln; irrsinnige Risiken eingehen; uns trauen, extrem unkritisch zu sein; vieles hinunterschlucken und nach allen Seiten Vergebung gewähren. Die Gewißheit des Scheiterns muß unser Lachgas/Sauerstoff sein, die Modernisierung unsere stärkste Droge. Da wir nicht verantwortlich sind, müssen wir unverantwortlich werden 112. Der Metropolenbewohner lebt nicht in erster Linie in Ziegelsteinen, Marmor, Glas und Stahl, sondern in der Architektur des menschlichen Geistes, deren Fundamente jenes menschenwürdige Verhalten bildet, das Urbanität definiert. 113. Kulturgeschichtler, Stadtsoziologen, Sozialpsychologen und Stadtplaner gingen leider in den vergangenen IOO Jahren zu selbstverständlich von dem Gedanken aus, daß sich Urbanität als rationales menschenwürdiges Verhalten durch entsprechende Planungs- und ~3aumaßnahmen erzwin gen ließe. Die Konzepte der Gartenstädte, oder die der Trabantenstädte, die Konzepte der Stadtkernentflechtung von Wohnen und Arbeiten waren sicherlich gut gemeint, und sie dürfen auch in Zukunft nicht als totale Mißerfolge abgeschrieben werden. Wir müssen aber für die Zu kunft der Metropolen in Metropolis lernen, daß Urbanität nicht durch Architektur und Stadtplanung hervorgerufen werden kann, sondern daß Urbanität in einer entsprechenden Nutzung von Architekturen besteht, wie auch immer sie aussehen mögen. 114. Natürlich ist der Einwand richtig, daß im elektronischen Metropolis der Zukunft es immer schwerer werde, die Imperative der humanen Rationalität noch zum Ausdruck zu bringen, sie zu gestalten. Wenn die Straßen in Metropolis zu Flugschneisen werden oder zu einem Geflecht vernetzter Datenstationen und personaler Computer - wenn die Plätze zu Bildschirmen werden und die Gärten zu TV-Studios, dann bleibt für die symbolische Repräsentanz, die j~ immer materiell vergegenständlicht wer den muß, kaum noch eine der bisher üblichen Realisationsformen. Aber weil gerade in Metropolis alles Design unsichtbar ist und alle entscheidenden Wirkungskräfte weder ertastet, gehört, geschmeckt, gerochen noch gesehen werden können, ist es um so wichtiger, die Imperative der Rationalität im urbanen Verhalten zu manifestieren, also nicht in den technisch rational gestalteten Dingen selbst, sondern im Umgang mit ihnen, dem Gebrauch, den wir von ihnen machen. mögen. 115. Die erforderlichen Innovationen für neue Wohnbaugebiete lassen sich in sieben Felder gliedern: 116. So einzigartig ist die Arbeit der Architektinnen und Architekten, daß sie ein neues Vokabular entwickeln mußten: "Dyn@mosphäre" ist ein solches Schlüsselwort, das für Dynamik, Atmung und Atmosphäre steht. Damit sich diese "Dyn@mosphäre" entwickeln kann, gibt es "Kernzellen": "Impulsator", "Attraktor" und "Mentator" heißen die. Das Gelände wird nicht in Volumina, sondern in "Feldern" gedacht, die starke Durchmischung gewährleisten sollen. 117. An den Abgründen des Alles-oder-Nichts, des Jetzt oder Nie, der kurzen Prozesse führt nur die Kunst des Kompromisses, der Takt des Ausgleichs und der Selbstbeschränkung vorbei; gegen die verantwortungslosen Demagogen, gegen die Landsknechte und rabiaten Säuberer hilft nur die Selbstverteidigung der Stadt, die Intelligenz und die Kaltblütigkeit ihrer Bewohner. 118. Die Räume bilden sich entlang der Linien des Bruchs und über die alte Trennlinie hinweg. Ihr energisches Zentrum ist jeweils: Streben nach Unabhängigkeit, Kampf um den vorteilhaftesten Platz, Weg vom alten Herrschaftszentrum, der natürlichen Attraktion folgend, die von den bisher unzugänglichen Zentren des Weltmarktes und der westlichen Kultur ausging. Die Konstituierung des neuen Raumgefüges liegt in der Hand oder in der Bewegung derer, die sich neu vergesellschaften wollen.. Und die elementarste Form ist die des wirtschaftlichen Austausches, des Handels und Verkehrs. Man kann den Prozeß der Neubildung eines Raumes - eines Wirtschafts-, Kommunikations- und Kulturraumes - mit bloßem Auge beobachten. 119. Leute entfalten Aktivitäten - Aktivitäten beeinflussen Nutzungen - Dienstleistungen antworten auf Aktivitäten und Nutzungen - die Zeit bestimmt alles, heute ist es noch da, morgen ist alles vorbei.
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